Schrot & Korn, naturkost.de, Aktuelle Meldungen vom 8.8.98

 
Weltgesundheitsorganisation hält nichts von Gesundheit in Pillenform

Der Verkauf von Vitaminen, Mineralstoffen und anderer Nahrungsergänzung in Pillenform boomt. Zwei Milliarden Mark geben die Deutschen dafür inzwischen aus. Aber die isolierten Präparate haben längst nicht die gleiche Wirkung wie die natürliche Nahrung.

"Die Gesundheit in Pillenform ist ein Märchen", schreibt die Zeitschrift Bild der Wissenschaft und beruft sich auf die Weltgesundheitsorganisation (WHO). Vitaminpillen, Omega-3-Fettsäuren und andere Nahrungsergänzungsmittel würden maßlos überschätzt. Sie schützen nach Angaben von Wissenschaftlern nicht vor Krankheit und Alter, manche von ihnen seien sogar gefährlich.

Ein Beispiel für häufig gezogene Rückschlüsse sind Fische. Die Argumentationskette zugunsten von Präparaten mit den in Fischen enthaltenen Omega-3-Fettsäuren sieht in diesem Fall so aus: Eine fischreiche Ernährung schützt vor Herz-Kreislauf-Beschwerden und Schlaganfällen; Fische enthalten viele Omega-3-Fettsäuren.; also schützen Omega-3-Fettsäuren vor Herz-Kreislauf-Erkrankungen und sind gut fürs Gehirn.

Doch wissenschaftliche Studien weisen eine andere Richtung. Ohne den Wert der Omega-3-Fettsäuren schmälern zu wollen: die mehrfach ungesättigten Säuren entfalten ihre Wirkung offensichtlich nur in Kombination mit anderen natürlichen Stoffen. Dies ergab jedenfalls eine Studie des nationalen Instituts für öffentliche Gesundheit (RIVM) der Niederlande.

Fettsäuren sind es nicht allein

Hier wurden alte Männer mit der Fragestellung untersucht: Was hält die Senioren länger geistig fit - eine fischreiche Ernährung oder Pillen mit Omega-3-Fettsäuren? Das Ergebnis: Die Fische gewannen, die Pillen versagten. "Wir wissen bis heute nicht, warum Fisch einen so schützenden Effekt hat", meint Projektleiter Daan Kromhout. "Wir kennen die wirksamen Substanzen einfach noch nicht. Aber die Omega-3-Fettsäuren allein sind es nicht."

Dennoch gehören die Omega-3-Fettsäuren in Pillenform zu den neuesten und erfolgreichsten Mitteln auf dem Markt der "Mikronährstoffe". In Japan werden sie als Gehirnnahrung vermarktet, die Deutschen kaufen sie, um ihre Blutgefäße zu schützen. Die Umsätze stiegen 1997 um 14 Prozent, teilt das Institut für Medizinische Statistik (IMS) in Frankfurt mit.

Auch Vitamine sowie Mineral- und sonstige Ergänzungsstoffe verzeichnen hohe Zuwachsraten. In den USA, in denen das tägliche Pillenschlucken Teil der Lebenskultur ist, verdoppelte sich der jährliche Umsatz von 1990 bis 1996 auf 6,5 Milliarden Dollar. Die deutschen Konsumenten ziehen nach. Sie schlucken inzwischen jährlich Nahrungsergänzungs-Pillen im Wert von etwa zwei Milliarden Mark, so eine Untersuchung des IMS.

Was für Fische gilt, läßt sich auch auf Pflanzen übertragen. Die in ihnen enthaltenen Antioxidantien gehören zu den beliebtesten Forschungsobjekten der Ernährungsforscher. Sie fanden heraus: Nicht nur Beta-Carotin und bestimmte Vitamine sind effektive Radikalfänger.

Pflanzen sind Wirkstoffcocktails

Wo immer die Forscher in Pflanzen suchen, finden sie hochwirksame Antioxidantien: Lycopene in Tomaten, Resveratrol in Rotwein, Epigallocatechin-Gallat in grünem Tee, und sogar das altbekannte Koffein in Tee und Kaffee enthält überraschenderweise ein viel besseres Antioxidans als Vitamin C. Dazu kommen viele andere Wirkstoffe wie das entgiftende Sulforaphan in Kohl.

Pflanzen scheinen voll mit Substanzen zu sein, die gut für den Organismus sind. Entsprechend gut sind sie zur Krankheitsvorbeugung: Zwiebeln, Äpfel und Brokkoli mindern das Risiko, an Krebs zu erkranken, Knoblauch schützt das Herz und die Blutgefäße. Die Nahrungspflanzen enthalten Wirkstoffcocktails, von denen die Pharmaindustrie nur träumen kann. Aber sie haben diese Effekte offenbar nur in ihrer Natürlichen Kombination, nicht als isolierte Präparate.

Wenn man das gesamte Angebot in den Regalen von Drogerien und Supermärkten kritisch durchsieht, bleiben nach Ansicht der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) nur zwei sinnvolle Nahrungsergänzungsmittel: Jod in Form von jodiertem Speisesalz, das auch in der Vollwerternährung empfohlen wird, sowie Folsäure für Schwangere.

Quelle: Bild der Wissenschaft

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