Guaraná:

Ein Genußmittel verkommt zum Magenspüler

Noch lange nicht so verbreitet wie Cola-Getränke sind Guaraná-Drinks, obwohl sie das Potential dazu hätten. Denn mit den erfolgreichen Cola-Getränken hat Guaraná eines gemeinsam: das Coffein. Mittlerweile begegnet uns Guaraná in Pulverform als geheimnisvolle bräunliche »Ökodroge« im Bioladen, die in Wasser gelöst zu geistiger Spannkraft und körperlicher Fitness verhilft, mal als Namensgeber für Exotic- oder Energy-Drinks in der Aludose an Tankstellen oder als Erfrischungskaugummi.

Gewonnen wird Guaraná aus den Samen der etwa zehn Meter langen Schlingpflanze Paullinia cuapana, die Botaniker zu den Seifenbaumgewächsen zählen. Diese verdanken ihren eigenwilligen Namen dem hohen Gehalt an schäumenden Saponinen. Einige Arten wurden tatsächlich als Waschmittel verwendet. Im übrigen enthalten die Pflanzen aber auch jede Menge Gifte. Die Eingeborenen nutzen sie vor allem für Pfeile, als Insektenschutz oder als Medizin bei Fieber und Schlangenbissen. Insofern verwundert es nicht, daß nur wenige Seifenbaumgewächse auf dem Speiseplan der Menschen stehen. Die wohl einzige weitere bei uns bekannte Art sind die in Chinarestaurants beliebten, harmlosen Litchi-»Pflaumen«.

Die Guaraná-Traube besteht aus 30 bis 60 Früchten. Die orangegelben, kastanienartigen Schalen platzen bei der Reife auf und geben schwarze, haselnußgroße Samen frei. Die Indios sammeln die ganzen Früchte und weichen sie ein, damit sie die Schale besser entfernen können. Die Kerne werden an der Sonne getrocknet, in Tonöfen geröstet, geschält und in Mörsern zerkleinert. Mit etwas Wasser läßt sich das Pulver zu einem Brei verkneten und zu kleinen Stangen formen, den sogenannten Bastoneten. Diese werden über ausgesuchten Hölzern ein bis zwei Monate geräuchert. Das Endprodukt erinnert an kleine Salami.

Der Trank, das »Aqua branca«, wird einfach zubereitet: Die Indios reiben von der Bastonete etwas Guaraná ab, verrühren es mit kaltem Wasser und trinken das Gebräu. Als Raspel benutzen sie die knöcherne Zunge eines beliebten Speisefisches, des bis zu zwei Zentner schweren und vier Meter langen Pirarucú. Forschungsreisende berichteten um das Jahr 1900, daß, wer »morgens früh in jenen Gegenden durch die Straßen geht, das Guaraná-Raspeln hinter den Fenstern hört«. Es erinnert irgendwie an europäische Frühstücksgepflogenheiten, bei denen das Blubbern der Kaffeemaschine nicht fehlen darf.

Beinahe hätten Kaffee und Mate Guaraná verdrängt. Aber seit daraus Limonade gebraut wird, wächst der Markt in Lateinamerika, aber auch in Europa. Nun ziehen weiße Siedler die Schlingpflanze in Plantagen, die an Hopfengärten erinnern. Das angebaute Guaraná hat jedoch, so der Freiburger Arzneipflanzen-Experte Eberhard Scholz, häufig minderwertige Qualität. Ursache ist die hastige Verarbeitung, »weil die Samen in Metallmühlen gemahlen und die Stangen nur ungenügend haltbar gemacht werden«. Dieses Guaraná enthält weniger freies Coffein, hat einen unangenehm bitteren Geschmack und reizt Magen und Darm. Die aufwendige traditionelle Technik diente dazu, das gebundene und damit für den Körper nicht verfügbare Coffein möglichst vollständig freizusetzen.

In Europa wurde Guaraná lange als Medikament gegen Kopfweh, Migräne und Neuralgien empfohlen, in Brasilien gegen Durchfall und Fieber. Dort dient es auch als Aphrodisiakum. Das sind deutliche Hinweise darauf, daß in diesem Produkt neben Coffein noch andere Wirkstoffe stecken. Einen weiteren Fingerzeig gibt Ludwig Reinhardt in seiner »Kulturgeschichte der Nutzpflanzen« aus dem Jahr 1911: »Die Eingeborenen können wohl ohne Fleisch und Mehl, niemals aber, vom reichsten Bürger bis zum ärmsten Hirten, ohne den beliebten Guaranátrank sein, der mit Recht von manchen Reisenden als »brasilianischer Kakao« bezeichnet wird. Mit der Guaraná ... vermögen die Indianer längere Zeit zu leben, ohne abzumagern, und sie sehen dabei so gesund und kräftig aus, als ob sie mit Fleisch genährt würden.« Es ist wohl nur noch eine Frage der Zeit, bis Guaraná - wie im Kaffee - Opiate entdeckt werden, die uns Wohlbefinden und Genuß verschaffen.

Diese Gefahr von opiatbedingtem Wohlbefinden besteht vei unseren Guaraná-Limos kaum. Sie haben mit dem Produkt der Indianer wenig gemein. Nach brasilianischem Lebensmittelrecht genügt für einen Liter bereits ein Guaraná-Gehalt von 200 Milligramm. In Deutschland erinnern die analytisch gefundenen Gehalte eher an angewandte Homöopathie. Limonaden-Abfüller nennen solche Mixturen aus Wasser, Zucker und Aroma treffend »Magenspüler«.

 

Coffeinlieferanten

Die Guaraná ist wegen ihres hohen Coffeingehalts Spitzenreiter von sechs Pflanzen,
die als Genußmittel sehr geschätzt werden:

Guaranásamen 4,0 %
Teeblätter 3,0 %
Colanüsse 2,5 %
Kaffeebohnen 1,5 %
Mateblätter 1,0 %
Kakaobohnen 0,2 %

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