Nahrungsergänzungen und Anreicherung von Lebensmitteln
 
  Nahrungsergänzungen und angereicherte Lebensmittel sind ein aktuelles Thema in Brüssel. Die Europäische Kommission hat dazu zwei Richtlinienvorschläge vorgelegt. Diese befassen sich mit den sogenannten „konzentrierten Nährstoffsupplementen", genauer Nahrungsergänzungen mit Vitaminen und Mineralstoffen sowie mit diesen Nährstoffen angereicherten Lebensmitteln. Die Vorschläge enthalten Definitionen, Anforderungen an die Zusammensetzung und Kennzeichnungsbestimmungen. Die Höchst- und Mindestmengen werden nach Abschluss der Beratungen im Wissenschaftlichen Lebensmittelausschuss festgelegt. Derzeitig weichen die einzelstaatlichen Rechtsvorschriften erheblich voneinander ab, was zu deutlichen Handelshemmnissen im Binnenmarkt führt. Die Kommission reagierte mit den beiden Regelungsvorschlägen auf mehrere Beschwerden der Wirtschaftsteilnehmer.

In einer Überflussgesellschaft wie in Deutschland erscheint eine Anreicherung der im Übermaß vorhandenen Nahrung mit bestimmten Nährstoffen zunächst absurd und paradox. Dennoch sind solche Maßnahmen sinnvoll und werden vom BLL befürwortet.

Von Muttermilch abgesehen gibt es kein Lebensmittel, das alle Ernährungsbedürfnisse der Bevölkerung erfüllt. Die einen sind reich an Vitaminen, andere enthalten viel Calcium, und manche Lebensmittel sind besonders gute Lieferanten von Eiweiß. Bei einer ausgewogenen Kombination kommt es zu einem Ausgleich im Nährstoffgehalt. Grundvoraussetzung einer zweckmäßigen Ernährung ist damit Vielseitigkeit bei der Auswahl der Lebensmittel.

In den westeuropäischen Ländern ist die Nährstoffversorgung über die tägliche Kost grundsätzlich gesichert. Die Gefahr von Mangelerscheinungen tritt nur beim Zusammentreffen mehrerer Risikofaktoren auf:
  • bei bestimmten Bevölkerungsgruppen, beispielsweise jungen Mädchen, Frauen, Senioren, Rauchern
  • und bei bestimmten Nährstoffen.

Nahezu für jeden Mikronährstoff (Vitamine und Mineralstoffe) findet sich mindestens eine Untergruppe in der Bevölkerung, deren Aufnahme unterhalb der empfohlenen Referenzwerte liegt. Das zeigt eine Zusammenstellung neuerer Studien zur Energie- und Nährstoffaufnahme der europäischen Bevölkerung. Vor allem betroffen sind Eisen, Jod, Calcium und die Vitamine B2, B6, Folsäure und D.

Diese Situation wird zunehmend verschärft durch die sich wandelnden Lebensbedingungen und Ernährungsgewohnheiten. Der Energieaufwands des einzelnen sinkt stetig durch weniger körperliche Arbeiten und mehr motorisierte Fortbewegung. Damit sinkt auch die Menge der notwendigen Energie, die mit der Nahrung aufgenommen werden muss. Auch fehlt oft ein entsprechender Ausgleich etwa durch erhöhte körperliche Aktivität in der Freizeit.

Der Bedarf an Energie sinkt, nicht aber der an Mikronährstoffen wie Vitaminen und Mineralstoffen. Das vergrößert die Gefahr von Ernährungsdefiziten. Zwar könnte man prinzipiell Nahrung mit erhöhter Nährstoffdichte zu sich nehmen, aber auch dies erfordert eine Änderung des persönlichen Speiseplans.

Diese Situation kann auf drei Wegen verbessert werden:

  • Ernährungsinformation und Ernährungsberatung, wie man sich am besten bedarfsgerecht ernähren kann
  • Anwendung von Nahrungsergänzungen
  • Anreicherung von Lebensmitteln mit Mikronährstoffen oder weiteren gesundheitsfördernden Substanzen.

In Europa besteht eine offenkundige Diskrepanz zwischen der empfohlenen und der tatsächlich befolgten Ernährung. Die kurzfristigen Folgen bleiben zumeist klinisch unauffällig, langfristig erhöht sich jedoch das Risiko chronischer Erkrankungen. Die Anreicherung von Lebensmitteln kann helfen, Nährstoffe der Bevölkerung leichter zugänglich zu machen, insbesondere bei einzelnen Bevölkerungsgruppen mit bestimmten Mangelzuständen.

Sogenannte „Health Claims" sind Produktinformationen, die den Verbraucher über zutreffende, positive Aspekte der Ernährung für die Gesunderhaltung informieren. Die Aufhebung des Verbotes der Europäischen Union wäre ein geeignetes Instrument für eine aussagekräftige Verbraucherkommunikation. Health Claims beinhalten konkrete Aussagen zu den Inhaltsstoffen und ihren Wirkungen auf die Gesundheit sowie ihren Beitrag zur Krankheitsreduzierung. Es ist eine interessante Perspektive, gesundheitliche Risiken mit entsprechenden Lebensmitteln gezielt mindern zu können und insbesondere bei uns weit verbreitete Erkrankungen wie z.B. Osteoporose, Arteriosklerose, Bluthochdruck und Fettstoffwechselstörungen einschränken zu können.

Sinnvolle Formen der Nährstoffanreicherung leisten somit einen Beitrag zur Verbesserung der Gesundheit und der Lebensqualität der Bevölkerung. Es handelt sich hierbei nicht um die „Zauberformel" zur Lösung aller unserer Gesundheitsprobleme, sondern um eine zusätzliche Möglichkeit, in Verbindung mit einer ausgewogenen Ernährung und entsprechender Bewegung etwas für unsere Gesundheit zu tun.

Anreicherung muss im Einklang mit verbesserter Ernährungserziehung und Ernährungsinformation gesehen werden. Ernährungsgewohnheiten ändern sich jedoch nur langsam. Wenn daher begleitend die Zusammensetzung von Lebensmitteln der gesünderen Ernährung entgegenkommt, kann dies auf dem Weg nur hilfreich sein.


Quelle: BLL Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde e.V.; Quelltext am 08.08.2000 originalgetreu entnommen von http://www.bll-online.de/04_infob/04_thema/inhalt_monatsthema.htm

[Anmerkung: Die Mitglieder des BLL stammen aus allen Bereichen der Lebensmittelwirtschaft. Ob Landwirtschaft, Ernährungsindustrie, Handwerk oder Handel: Wer sich in der Wirtschaft mit der Gewinnung, Herstellung und Vermarktung von Lebensmitteln beschäftigt, ist im BLL vertreten. Weitere Mitglieder kommen aus der Zulieferung, der Chemie, der Verpackungs- und Tabakindustrie.]

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