Ärzte Zeitung, 31.05.2000

Der Hormonhaushalt vieler Frauen kommt allein durch eine Ernährungsumstellung wieder in Ordnung

Wie ernähren Sie sich? Diese Frage sollten Gynäkologen ihren Patientinnen bei unerfülltem Kinderwunsch immer stellen. Denn oft genügt schon eine Ernährungsumstellung, um schwanger zu werden. Diese Erfahrung macht die Gynäkologin und Leiterin der Ambulanz für Naturheilkunde an der Heidelberger Universitäts-Frauenklinik, Professor Ingrid Gerhard, immer wieder. Mit ihr sprach Ingeborg Bördlein.

Ärzte Zeitung: Was hat die Ernährung mit Fertilitätsproblemen zu tun?

Professor Ingrid Gerhardt: Wir wissen, daß sich Über- und Untergewicht bei Frauen ungünstig auswirkt, weil es dadurch zu Hormonstörungen kommen kann.

Die Frauen haben einen unregelmäßigen Eisprung, eine schlechte Gelbkörperphase und können nicht schwanger werden. In den letzten Jahren haben wir bei unerfülltem Kinderwunsch auch Zusammenhänge bei normalgewichtigen Frauen zwischen Zyklusstörungen und Ernährungsgewohnheiten festgestellt. Frauen etwa, die sich mit wenig Ballaststoffen ernähren und zur Obstipation neigen, haben höhere Östrogenwerte als andere, was sich ungünstig auswirken kann.

Ärzte Zeitung: Sehen Sie vermehrt auch untergewichtige Frauen in Ihrer Sprechstunde?

Gerhard: Seit Jahren benutzen wir in unserer Patientenberatung einen detaillierten Ernährungsfragebogen. Danach unterscheiden wir zwei typische Gruppen: Die Frauen, die glauben, sich sehr gesund zu ernähren mit viel Obst, Gemüse und Ballaststoffen. Viele verzichten dabei gänzlich auf Fleisch, ohne die tierischen Fette durch pflanzliche Fette zu ersetzen. Diese fettarme Ernährung führt dazu, daß der Körper zu wenig Cholesterin produziert. Dies braucht er aber für den Hormonstoffwechsel. Gleichzeitig binden Ballaststoffe vermehrt Hormone im Darm, so daß sie dem Körper nicht mehr zur Verfügung stehen. Die Folgen: Die Frauen bekommen ein prämenstruelles Syndrom, eine Gelbkörperunterfunktion, der Eisprung bleibt aus und sie werden nicht schwanger.

Das andere Extrem: Frauen, die sich ohne Ballaststoffe ernähren: morgens einen Kaffee, mittags ein Brötchen mit Wurst, abends eine Pizza. Diese Frauen haben oft hohe Östrogenspiegel im Blut, was übrigens auch ein Risikofaktor für Brustkrebs ist.

Ärzte Zeitung: Was raten Sie Ihren Patientinnen?

Gerhard: Wir raten, die Ernährung umzustellen, und zwar vor einer Hormonbehandlung oder dem Gedanken an eine IvF. Eine gute Ernährung wäre: fünfmal am Tag eine Portion Gemüse und Obst, also insgesamt fünf Portionen als Mindestmenge. Ein Teil davon sollte Rohkost sein, Kartoffeln, Vollkorngetreide in Maßen und am besten in Breiform. Ein- bis zweimal wöchentlich Fleisch und ebensohäufig Fisch. Wer kein Fleisch ißt oder keinen Fisch mag, sollte umso mehr Hülsenfrüchte konsumieren. Wichtig sind die pflanzlichen, kalt geschlagenen Öle (Olivenöl, Soja- oder Leinöl). Mit Milchprodukten sollte eher sparsam umgegangen werden: Ein Joghurt am Tag reicht, Milch höchstens ein Glas pro Tag trinken. Dazu empfehlen wir ein Bewegungsprogramm, dreimal pro Woche Sport oder täglich eine halbe Stunde spazierengehen.

Ärzte Zeitung: Welchen Erfolg hat das Ernährungsprogramm?

Gerhard: Wir haben bislang keine große Studie gemacht, also auch keine validen Zahlen. Aber die Erfahrung ist, daß der Hormonhaushalt vieler Frauen allein durch eine Ernährungsumstellung wieder in Ordnung kommen kann. Da können schon drei Monate ausreichen. Die Patientinnen sagen dann oft: "Warum hat man mir dies nicht eher gesagt, daß mein Zyklus mit solch einfachen Maßnahmen wieder zu regulieren ist?"

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