13.06.2001

 

"Vier von fünf Krebserkrankungen umweltbedingt"

Auslöser schwer zu identifizieren / In der Nahrung werden außer Karzinogenen auch viele Protektoren entdeckt

Es gibt viele Belege dafür, daß durch gesunde Ernährung Krebs vorgebeugt werden kann. Ernährung war daher auch ein Schwerpunkt bei der Konferenz zur Krebsepidemiologie der National Academy of Sciences in Washington. In der Praxis hapert es jedoch oft an der Umstellung von Ernährungsgewohnheiten.

Von Ronald D. Gerste

WASHINGTON D.C. Der englische Arzt Percival Pott beschrieb 1775 eine auffallende Häufung von Skrotalkrebs bei Schornsteinfegern und äußerte den Verdacht, daß der Kontakt mit Ruß entscheidend für die Ätiologie des in der übrigen Bevölkerung seltenen Leidens sein müsse. Das war der Beginn der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit krebserregenden Faktoren in der Umwelt.

Heute ist das menschliche Genom entschlüsselt, werden Beziehungen zwischen Genen und bestimmten Malignomen erkannt - und doch, die Genetik allein erklärt bei weitem nicht die gravierenden Unterschiede in der Krebsmorbidität zwischen einzelnen Nationen. 80 Prozent der malignen Erkrankungen in den USA, so der Krebsepidemiologe Professor Joseph Fraumeni vom National Cancer Institute in Bethesda, sind auf Umweltfaktoren zurückzuführen. Und nicht immer ist der Auslöser so einfach zu identifizieren wie beim Bronchialkarzinom, das längst zur Krebsart Nummer Eins bei amerikanischen Frauen geworden ist - und dies trotz der strengen Nichtraucherschutzgesetze in den USA.

Tabak ist der mit Abstand wichtigste vermeidbare Risikofaktor für eine Krebserkrankung mit einigem Abstand gefolgt von Ernährungsgewohnheiten und mit größerer Distanz zu Alkohol, Infektionen und berufsbedingten Karzinogenexpositionen. In einem Land mit einer astronomisch hohen Rate von Fettleibigen steht die Ernährungsproblematik auch bei einer Konferenz zur Krebsepidemiologie, wie jener, die jetzt von der National Academy of Sciences in Washington veranstaltet wurde, im Vordergrund. Wenngleich eine große Zahl von potentiellen Karzinogenen in der Nahrung identifiziert ist wie Aflatoxin, Nitrosamine und polyzyklische Kohlenwasserstoffe, so sind viele Details der Krebsentstehung noch unerforscht, vor allem die Rolle genetischer Faktoren.

Über die Entstehung von Krebs bei Kindern weiß man nicht viel

Auch über die Entstehung von Malignomen bei Kindern weiß man nicht viel. Es gibt Hinweise darauf, daß der Konsum von mit Nitritverbindungen behandelten Fleisches während der Schwangerschaft - etwa als "Hot Dogs" - mit einer erhöhten Rate von Hirntumoren bei Neugeborenen einhergeht. Eine Langzeitstudie zu Krebshäufigkeit bei Kindern in Abhängigkeit von Ätiologie und Umweltfaktoren wird zur Zeit vom National Cancer Institute geplant.

Bei Erforschung der biochemischen Wirkungen von freien Radikalen wurden nicht nur viele Karzinogene, sondern sogar noch mehr Protektoren entdeckt. Mehr als 150 große Studien über Ernährungsgewohnheiten und Krebsmorbidität sind ausgewertet worden und immerhin 82 Prozent von ihnen belegten eindeutige niedrigere Erkrankungsraten für diverse Malignome, wenn Gemüse und Obst bei der Nahrungsaufnahme dominieren; unter jenen Neoplasien, die mit einer derartigen Diät signifikant seltener aufgetreten, waren Karzinome von Pharynx, Ösophagus, Lunge, Magen, Kolon und Rektum. Inzwischen sind Tausende von "Phytonutrients" wie Flavonoide, Karotenoide, Organosulfide und Isothiocyanate identifiziert worden, die als Radikalfänger und damit protektiv wirken können.

Ernährungsrisiken am besten beim Kolonkarzinom belegt

Das mit Hinsicht auf Ernährungsgewohnheiten wohl am besten erforschte Malignom dürfte das Karzinom des Kolons oder des Rektums sein. Das Risiko, an dieser Krebsart zu erkranken, hängt eng zusammen mit einer positiven Familienanamnese, dem Verzehr von Fleisch und Alkohol sowie dem Rauchen. Umgekehrt ist eine statistisch signifikante Reduktion der Morbidität assoziiert mit dem Genuß von Obst und Gemüse, mit körperlicher Aktivität und mit der Einnahme nichtsteroidaler Entzündungshemmern (NSAID).

So belegen epidemiologische Studien eine um 40 bis 50 Prozent reduzierte Rate von kolorektalen Karzinomen bei Patienten, die regelmäßig Wirkstoffe dieser Substanzklasse einnehmen - erklärt Dr. R. DuBois von der Vanderbilt University in Nashville im US-Staat Tennessee damit, daß Azetylsalizylsäure und andere Vertreter dieser Gruppe sowohl die Aktivität der Cyclooxygenase-1 (COX-1) als auch der COX-2 hemmen.

Da vor allem COX-2-Spiegel bei mehreren soliden Tumoren erhöht sind, dürfte dieses Enzym ein sinnvolles molekulares Ziel der Krebsprävention sein - und dies nicht nur im Enddarm: Aktuelle klinische Studien belegen eine deutlich schlechtere Prognose auch für Lungenkrebs, wenn der COX-2-Spiegel erhöht ist. Aus diesem Anlaß werden COX-2-Hemmer zur Zeit auf ihre Fähigkeit getestet, Krebserkrankungen vorzubeugen oder die Patienten zu therapieren.

Mindestens ebenso wichtig für die Prävention dürfte die Umstellung der Ernährungs- und Lebensgewohnheiten sein. Diese zu predigen, ist bekanntermaßen eine der wichtigsten ärztlichen Aufgaben - und in der Nichtbefolgung liegt eine der größten Frustrationsquellen dieses Berufs.

überreicht durch: Holger Lynen, Gesundheitstrainer, Hermeskeiler Straße 22, 50935 Köln, Tel: 0221-484-7022, www.besserdrauf.de

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